• Einem Forum entnehme ich, dass der große Paul Frère im Alter von 91 Jahren gestorben ist.

    Ich habe diesen Mann immer geschätzt, denn er war ein Rennfahrer, der schreiben und sprechen konnte. Jemand, der in den 50er Jahren in LeMans gefahren ist und auch gewonnen hat und noch bis in dieses Jahrhundert hinein aktuelle Renn- und Sportwagen getestet hat, ist sicher auf seine Art Jahrhundertmensch.

    Erinnert sich noch jemand an diese unbeholfene Auto-Sendung "Telemotor", die in den 80er Jahren im ZDF lief? Moderiert wurde sie von dem Langweiler Karl Senne, aber die Autotests absolvierte Paul Frére und verlieh der Sendung einen Hauch der Weltläufigkeit. Unvergessen ist die Entschlossenheit, mit der er Familienkutschen in die Kurven schmiss und durch Slalomgassen wanken ließ. Am schönsten war sein Verdikt am Ende, wenn dieser damals schon ältere Herr sehr lässig in seinem charmant vernuschelten Deutsch mit französischem Akzent sein Fazit zog und nur die feinsinnigsten Zuschauer spüren ließ, das es doch eigentlich gleichgültig sei, ob ein Audi 80 nun besser ist als ein VW Passat.

    Frère verdanken wir auch den legendären ersten Test des Jaguar E-Type, 1963. Er ließ es sich nicht nehmen, mit ich glaube 256 km/h eine Art Geschwindigkeitsrekord aufzustellen. Wie schön lesen sich heute die Erklärungen zu dem High Speed-Run, die Ausführungen zu den speziellen Dunlop-Reifen und die Nonchalance mit der Frère andeutete, dass ein solches Tempo für einen GT-Wagen eigentlich doch nichts weniger als angemessen sei.

    Ich erinnere mich auch an einen Testbericht des Porsche 908/3 auf der Südschleife des Nürburgrings, und natürlich viele Stories über den 911, der sein Spezialgebiet war und über den er ein Buch geschrieben hat.

    Wer einen Fahrbericht von Fère liest, der sitzt bei Ihm auf dem Schoß. Nüchtern, gediegen, ohne Superlative und ganz beiläufig hat hat er präzise und klar den Charakter jedes Autos getroffen. Als ein 1917 geborener Mensch, hat er wohl geahnt, dass es wichtigeres gibt als Automobile und die Beschäftigung mit Ihnen. Natürlich leben wir in einer anderen Epoche als er, der die Glanzzeit des europäischen Sport- und Rennwagenbaus mitbegleiten durfte, aber von diesem Mann etwas abzugucken wäre keine Schande für die meisten Automobiljournalisten unserer Zeit. Und geschrieben hat er bis zuletzt, auch auf Englisch.

    Schade, dass seine Stimme nun verstummt ist.

  • Ich schlage vor, dass dieser Beitrag im Namen des Forums an einen gewissen Horst von S. geschickt wird. Als Ansporn und Leitbild oder besser als Leitkultur des Schreibens von Testberichten.

    Mutti könntest Du dies veranlassen? Danke

    Tom

  • Sehr schön geschrieben!

    Ich erinnere mich gerne an "Telemotor" und besonders an Paul, der für mich als Kind so merkwürdig wahrgenommene Akzent und natürlich die von ihm legendär ausgesprochene "A-Ärodynamik", die ja mit dem Audi 100 nach dem RO80 erstmals wieder thematisiert wurde.

    Grüße vom Urlauber

  • er war einer der Grossen, ohne Zweifel. Schöner Nachruf, dem ist nichts hinzuzufügen!

    PS: Ich errinnere mich noch wie oft ich den ersten Test des Esprit V8 in der "Moniteur Automobile" gelesen habe... alles fundiert, kein Geschwafel à la AMS & Co!

    PS: In welcher Zeitschrift war der Bericht über den E-Type?


    R.I.P.

  • Kann ich nur Zustimmen!
    Ich habe auch das Porsche Buch gelesen, und war ebenso begeistert über die Nüchternheit der Dokumetation und der damit einhergehenden Glaubwürdigkeit.
    Auch von mir: Sehr schöner Nachruf

  • Sehr schön, endlich mal wieder Erfahrungen, und nicht nur das Rezitieren von vorgefertigten Pressetexten.

    Da sieht man mal, dass auch Journalismus ein fundiertes Handwerk sein kann.

    Im Rallye Sport wurde meine Vermutung bestätigt, dass ein Auto mit 2 angetriebenen Rädern nur eine Notlösung ist! (Walter Röhrl)

  • Auch ich kann bestätigen, dass im "heutigen" Verkehr der 1960er Jahre die Leistung eines Jaguar E mehr bringt, als man erwarten könnte. Und das ist gut so. Sonst hätte ich nämlich in einem ebensolchen das Licht der Welt erblickt. Was für alle Beteiligten eher unkomfortabel gewesen wäre.

    Eric

  • Testberichte heute in dieser herzerwärmenden Art zu schreiben würde garantiert spätestens bei der Endbesprechung in der Redaktion durchs Raster fallen.
    Argumente wie "Soviel will kein Mensch lesen" als auch "Zuviel Emotionen, zuwenig Fakten" würden die Dinge schnell aufs zeitgemäß synthetische Maß und Niveau drücken.

    Testberichte heute noch in dieser Weise zu formulieren wäre wie die Gitarre aus dem Gefühl heraus mit sensiblen Fingern zu zupfen und das Schlagzeug aus dem Bauch heraus eigenhändig zu spielen.
    Nur wer nimmt sich die Zeit und gibt sich die Mühe, wenn es Loops und Samples gibt, die das alles perfekter können sollen.

    Testberichte heute noch so zu Papier zu bringen wäre wie das Tagebuch einer Abenteurreise 1:1 zu veröffentlichen.
    Leider verlangt, selbstverständlich marketingerforscht,
    die Zielgruppe einen übersichtlich gestaffelten und sachlichen Bericht über den Sinn und Zweck der Exkursion nebst Nennung der Sponsoren.

    Testberichte heute noch so zu verfassen würde bedeuten, dem Leser Informationen über Emotionen zu vermitteln.
    Der Konsument, auch dies durch Marktanalysen bestätigt, will anscheinend Artikel lesen, bei denen er im voraus schon weiß, was drin steht.

    Das Traurige am zeitgenössischen Motorjournalismus,
    und dies richtet sich vornehmlich an eine bestimmte, über die Jahre verkommene ehemals führende Publikation,
    ist, daß die an ihre eigens erfundenen Lügen inzwischen selbst glauben.

  • Ich habe gestern abend eine Classic & Sports Car hervorgekramt von September 1992 da hatten sie den Paul Frère gefragt, was seiner Meinung nach die 10 Besten und die 10 Schlechtesten Autos waren die er in seiner Karriere fuhr... unter den 10 Besten: Elan aus den 60ern! :love:

    das sagt alles!

    mfg Yves

  • sorry keine Ahnung!Ich habe den Namen gegoogelt, der Name Clovis taucht ein paar mal auf, leider konnte ich keine HP des Künstler finden. Ich könnte mir vorstellen, dass es ein Belgier ist... denn in Belgien gibt es einige Zeichentrickartisten...

    mfg Yves

  • haben sich Herr Frère und Herr Busch den E-type damals geteilt? War das nicht die Zeit damals mit der Kolumne über einen Jaguar E in 'ams' ?!

    Ach ja, habs gerade gesehen. Jaguar hatte noch einmal nachgebessert und einen anderen Wagen verwendet. Ist heute immer noch die gleiche Problematik. Nur jetzt kommen die Rückrufe wen der wagen bereits in Kundenhand ist :lach:


    Ist jedenfalls schade das "die alten Hasen" von der Bildfläche verschwinden. Zum Glück werden bei top-gear und DMAX die Test-Wagen noch richtig bewegt... . :bo:

    "..eine alte else riecht meist nach frostschutz, wenn die nach totem hund riecht solltest du den marder ausbauen....."- 'C' by Guido Schuchert

    "selber essen macht satt" -'C' by me

    Einmal editiert, zuletzt von Günter (29. Februar 2008 um 17:09)

  • Hallo,
    so, jetzt hatte ich endlich Zeit den Bericht zu lesen, also ich muss sagen, wenn es heute noch eine ähnliche Qualität in den einschlägigen Zeitschriften gäbe, würde ich sie auch noch kaufen... ;)

  • Hm, Paul Frére ist also tot! Das stimmt mich traurig, denn damit ist ein Teil meiner automobilistischen Inspirationen von uns gegangen! Aber andererseits muß ich konzedieren, daß 91 Jahre eine schöne Distanz ist, die sich wohl jeder von uns wünschen würde.

    So halte ich nicht nur Tatzentiers Nachruf für ausgezeichent (alles andere von ihm hätte mich aber auch zutiefst gewundert...), ich möchte des Herrn Frére Leben auch dahingehend abrundend mit einem Hauch von Neid kommentieren, indem ich sage: so ein Leben hätte ich mir auch gewünscht - ganz abgesehen von ausgezeichneten, journalistischen Artikeln...

    Tand ist das Gebilde aus Menschenhand