Am letzten Mittwoch besuchten wir (meine Frau und ich) im
Rahmen unseres einwöchigen Elise- England Trips das Lotus Werk in Hethel in der
Nähe von Norwich.
Von Norwich aus gelangt man problemlos in 20-30 Minuten
dorthin. Da wir etwas zu früh waren und uns deshalb die Security am
Werkseingang noch keinen Einlass gewährte, fuhren wir auf Empfehlung des
freundlichen Sicherheits-Mitarbeiters zum nahegelegenen Pub "Bird in
Hand", etwa 2 km vom Werk entfernt.
Dort verbrachten wir bei herrlichem Sonnenschein und Käsekuchen die 45
Minuten Wartezeit, bevor wir wieder zu Lotus fuhren. Die 2 Kilometer zurück
waren aufgrund des heftigen "Farm Traffics" recht lange, diesmal mal
durften wir aber nach Übergabe des Besucher aus Besucherausweises direkt zum
Eingang des Besucherzentrums weiter fahren. Auf den vollen
Mitarbeiter-Parkplätzen konnten wir leider keinen einzigen Lotus entdecken,
vielleicht sind die Dinger doch zu teuer ?!
Auf dem Werksgelände allerdings fuhren dann doch einige der
begehrten Teile umher.
Auffällig waren einige Exige S V6, die getarnt über das
Gelände bzw. aus dem Gelände nach draußen und wieder rein fuhren. Es war nicht
erkennbar, ob sich „darunter“ was neues oder anderes verbarg.
Das Besucherzentrum ist im ältesten Teil des Werkes
untergebracht, in dem früher auch das Büro von Colin Chapman lag. Besucherzentrum
ist ein, naja, großes Wort dafür. Es ist eher der überteuerte Lotus-Souvenir
Shop mit Theke.
Direkt im Eingangsbereich war die blaue Exige S ausgestellt,
die eine der Rollen in dem Actionfilm RED 2 innehatte.
Hier nahm uns dann Richard Prettamint in Empfang, der seit
1968 bei Lotus tätig ist und einige Anekdoten zum Besten gab. Voller Stolz
erzählte er, dass er als 16 jähriger Bursche mit seiner Kamera dabei war, als
Colin Chapman zusammen mit Jim Clark im Jahr 1966 den Grundstein zum Werk in
Hethel legte, der dort zu sehen ist.
Er (Richard) kannte wohl alle Persönlichkeiten rund um
Lotus. Bilder mit Jim Clark, Colin Chapman oder Ayrton Senna belegen das.
Richard erzählte, wie genial Colin als Ingenieur war, wie
schwierig aber als Mensch. Er feuerte Mitarbeiter so schnell wie er sie
anstellte, nur weil er ab und zu den Eindruck hatte, sie täten gerade nicht
genug. Er war der Einzige, der sich nicht an die üblichen Regeln in der eigenen
Firma hielt. Richard erzählte, dass Chapman morgens wohl in voller
Geschwindigkeit von seinem ein paar Meilen entfernten Haus in Richtung des
Werkes fuhr und immer davon ausging, dass er weder am beschrankten
Firmengelände oder vor seiner Garage anhalten musste.
Meistens mussten dann sein Sekretär, nachdem er seinen Wagen verlassen hatte,
auch noch die Zündung ausschalten und das Ding in die Garage fahren.
Richard, der zu Recht nebenbei eine eigene Firma hatte, in
der er Rhetorik und Präsentationstechnik unterrichtete, verstand es, die Leute zu unterhalten. Die
kleine Gruppe, die an diesem Tag aus 10 Engländern und uns beiden bestand,
wurde zu Beginn mit den wichtigsten historischen Infos versorgt. Danach führte
uns Richard aus dem Gebäude heraus, ohne zu vergessen, uns zu erklären, warum
die Fenster so schmal und die Hecke davor so hoch war.
Das war auf Anweisung von Colin Chapman so, weil er verhindern wollte, dass die
Arbeiter von den neuesten Versuchsfahrzeugen abgelenkt, nicht so effektiv sind.
Wir gingen dann zum Produktionsgebäude der aktuellen
Produktreihe, das in den neunziger Jahren entstanden war, als Lotus für Opel/Vauxhall
dort die Speedster Varianten baute. Das Gebäude wurde dann ebenfalls für die
Vormontage der Tesla-Roadster benutzt.
Richard erzählte einiges zu der „small“ (Elise/Exige) und
der „big“ Plattform (Evora) und die
Herstellung der Chassis, die ehemals von der Fa. Hydro durchgeführt wurde,
bevor Lotus diese dann gekauft hat.
Er zeigte uns die Produktionsabläufe, die verschiedenen Crashboxes von Elise/Exige/Evora,
die Lackiererei und die Endmontage. Sehr stolz sind die Lotus-Jungs darauf,
dass sie keine Roboter einsetzen, sondern alles Handarbeit ist. Lotus soll mit
der Lackqualität so viel Aufmerksamkeit erreicht haben, dass Firmen wie Toyota und
Ford, eigene Mitarbeiter zur Schulung senden.
Ich selbst hatte vor 10 Jahren mal Gelegenheit das Benz-Werk
in Sindelfingen zu besuchen, was definitiv in einer anderen Liga spielt. Hier wird
wirklich per Hand gearbeitet, die Jungs und Mädels hatten auch ordentlich was
zu tun. An diesem Tag, so konnte man den verschiedenen Dokumentationen an den
einzelnen Produktionsstationen entnehmen, sollten 7 neue Fahrzeuge entstehen.
Insgesamt waren in der Produktionshalle etwa 30-40 Fahrzeuge zu sehen, die die
verschiedenen Stationen durchliefen. In
den Hallen, die wohl als Zwischenlager fungieren, waren mit einem kurzen Blick
etwa 50 Fahrzeuge zu erspähen.
Laut Richard werden aktuell monatlich 200 Fahrzeuge
gefertigt, die größtenteils exportiert werden. Die Leute bei Lotus befinden
sich nach Richards Aussage wieder auf dem Weg der Besserung, nicht zuletzt weil
DRB-Hicom, denen auch Proton und damit Lotis gehört, eine 100 Millionen Pfund
Zusage gemacht hat, die Mannschaft und die Produktion zu erweitern.
Ich schätze, dass etwa zu einem Viertel Elise und zu ¾ Exige V6 und Evora zu je
gleichen Anteilen gebaut werden.
Als Abschluss haben wir einen kurzen Einblick in die ehemalige Flugzeug Garage
von Chapman bekommen, in der nun die Motorsport Abteilung zu finden ist.
Richard erklärte zudem, dass man noch Kunden für die GT4-Fahrzeuge sucht und
über den Preis gerne reden könne, bevor er uns die Lotus Driving Academy ans
Herz legte.
Alles in Allem ein lohnenswerter Besuch für
Lotus-Fans. Für alle anderen, die womöglich schon eine andere
Fahrzeug-Produktion besucht hatten, nicht so interessant.
Grüße von der Insel
Superpeppi