Dustin Spießbürger

  • Sirs

    bekanntlich gibt es einen neuen Werbespot von Audi, der die berühmten Schlusszenen von "The Graduate", Die Reifeprüfung, zitiert, in der Dustin Hoffmann mit seinem Alfa Spider Duetto (wahrscheinlich ein 1300er) ohne Benzin liegen bleibt, als er seine Liebe vor dem Fehler ihres Lebens bewahren will, nämlich den Spießer zu heiraten, den nur die Eltern der Braut nett finden können und nicht ihn, den Melancholiker, der in einen tiefen Abgrund geschaut hat und vom Leben mehr weiß als die versteinerten Alten.

    1967 hat Mike Nichols den Film gedreht und der Geist dieser Zeit, der zarte Aufbruch, ist nie besser eingefangen worden, so beiläufig und ohne Absicht, wie es nur in direkter Zeitgenossenschaft möglich ist.

    Der Alfa ist die Chiffre für den Freiheitsdrang der Figur Benjamin. Ungestüm und doch treu und zuverlässig trägt er den Helden von Los Angeles nach Berkeley und zurück, immer auf der Jagd nach dem Glück, das die Eltern längst aufgegeben haben. Für sie war es nur ein schicker roter Wagen, den man dem Sohnemann zum Abschluss schenkt, für ihn der Protest gegen den Stumpfsinn der Spießbürger, die nur noch in Posen denken können.

    Nun aber hat sich Dustin Hofmann nicht entblödet, für - wie man wohl annehmen darf - viel Geld diese Szene neu zu spielen, nur dass er nun in einem Audi Diesel sitzt, der so sparsam ist, dass ihm der Diesel nicht ausgeht und er die Braut bequem retten kann.

    Dabei hat man nur ein Detail vergessen: Kraftvoll und authentisch war die Szene nur deshalb, weil der Alfa-Fahrer Benjamin seine Kraft daraus schöpfte, dass sein Gegenspieler ein Vertreter jener Langweiler war, die heute natürlich mit einem TDi von Audi durch die Gegend schaukeln würden und in einen liegengebliebenen Duetto nicht mehr als italienische Schlamperei erkennen könnten.

    Der Spot ist ein Verrat am Alfa und an diesem Film. Es ist der Versuch, ein lebendiges Gefühl, das mehrheitsfähig war, für ein höchst partikulares Anliegen zu instrumentalisieren, nämlich Leute zum Kauf eines Dieselaudi zu bewegen.
    Das ist die Rache der Spießer.

    Man hat schon aufrichtigere Werbung gesehen.

    Einmal editiert, zuletzt von Tatzentier (29. März 2004 um 22:30)

  • Sehe ich auch so !
    Mir ist fast schlecht geworden als ich den spot zum ersten mal sah...

    audi :rocket:

  • Ich warte noch auf Peter Fonda in einem Werbespot von BMW, wo er auf so einer ekeligen Cruiser-Schüssel sitzt.

  • Zitat

    "Ich warte noch auf Peter Fonda in einem Werbespot von BMW, wo er auf so einer ekeligen Cruiser-Schüssel sitzt. "

    Cruiser-Schüsseln werden jetzt auch von V&B im gehoben Sanitärfachhandel angeboten. Der Sitzkomfort wird durch einen von Daimler-Chrysler abgekupferten und an geeigneter Stelle montierten Halsfön gesteigert.

    Tom

  • Ich mag mich irren, aber ist in diesem Spot nicht Dustin Hoffmann der Vater der Braut ? Sozusagen the next Generation ?
    Zumindest die Musik gefällt, und es gibt weitaus schlechtere Spots !
    Matthias

  • Ich mag Dustin Hoffman nicht! Der spielt immer so Rollen, in denen er denm Zuschauer ein schlechtes Gewissen machen will.

    Der Alfa war Klasse, aber der wirkliche Star des Films ist die Musik von Simon & Furunkel! Diese Musik drückt das zeitgefühl besser aus als der blöde Hoffman in seiner Rolle!

    Apropos: Es handelte sich in dem Film doch um eine jüdische Familie, warum heiratete Katherine Ross in einer christlichen Kirche? Ist das eine Spitze der Filmmafia? Juden sind intellektuell und Christen sind Spießer?

    Bei eventuellem Verdacht auf antisemitischen Äußerungen bitte alles durhc El Tekki streichen lassen!

  • Was ich grundsätzlich zu amerikanischen pseudo-romantischen Filmen anmerken möchte: sie sind immer picksüßes Klischee und eine völlige Überzeichnung voll von triefender Romantik (vgl. Titanic mit de Caprio und die Aufteilung: Reich = Schnösel, Arm = Held).

    Ich sehe mir kaum Filme dieser Machart an; auch die Reifeprüfung blieb mir als Karamelzuckerl in den Zähnen in Erinnerung. Ich weigere mich schlicht, diesen L'Amour-Hatschern zu huldigen.

    Die schauspielerische Leistung der Amerikaner übrigens ist nach meinen Qualitätsansprüchen erbärmlich. Ich finde diese Typen gehyped durch die Medien und schließe mich völlig der Meinung von Manfred Krug an: "alles V-förmige Arschlöcher".

    Tand ist das Gebilde aus Menschenhand

  • Zitat


    Apropos: Es handelte sich in dem Film doch um eine jüdische Familie, warum heiratete Katherine Ross in einer christlichen Kirche? Ist das eine Spitze der Filmmafia? Juden sind intellektuell und Christen sind Spießer?

    Bei eventuellem Verdacht auf antisemitischen Äußerungen bitte alles durhc El Tekki streichen lassen!

    Ist ein klassisches antisemitisches Klischee, ja.


    @ Kaeptn Kaos:
    Ein "pseudo-romantischer Film" ist "Die Reifeprüfung" ganz sicher nicht, und mit dem "Titanic"-Film auch nicht vergleichbar. Es geht da doch um etwas mehr.

    Warum Amerikaner schlechtere Schauspieler sein sollen, leuchtet mir auch nicht ganz ein. Dabei meine ich die, die in Filmen auftreten, nicht die in der Politik.

  • Tatzentier: das kann ich nicht bestätigen, denn die Ausdrucklosigkeit eines Humphrey Bogart, eines James Deans, eines Charles Bronson, eines Dustin Hofmans, etc. bis in die Jetztzeit T. Cruise, Ben Affleck und wie die "Größen" alle heißen, ist doch kein Schauspiel sondern schlichte Kapitulation: Gesicht ohne Ausdruck, Stargetue vor Mimik.

    Ein Schwarzenegger ist ebenso ausdruckslos wie ein Bogart, aber nicht so verehrt - weil ein anderes Marketing(konzept) dahintersteckt. Was bitte ist an Casablanca beachtlich? Der stumpfe Mime mit dem faden Blick? Das Schmachten der Bergman? Die Handlung? Oder bloß die Musik?

    Für mich ist dieser Film ein Lehrbeispiel cineastischen Marketings: hohl, aber kultig. Wie eben auch die Reifeprüfung.

    In beiden Fällen wird mit Schmachtfetzen als akustische Begleitung die Stimmung angeheizt, die die Personen mimisch nicht imstande sind, "rüberzubringen".

    Tand ist das Gebilde aus Menschenhand

  • Zitat

    Ist ein klassisches antisemitisches Klischee, ja.

    Tatzentier,

    da reicht meine Logik offensichtlich nicht: Wenn das im Film wirklich als Brandmarkung der Christen als Spießer gemeint war, dann kann das doch nicht antisemitisch sein, erst recht kein klassisches antisemitisches Klischee.

    Klär mich bitte auf!

  • Zitat

    Tatzentier,

    da reicht meine Logik offensichtlich nicht: Wenn das im Film wirklich als Brandmarkung der Christen als Spießer gemeint war, dann kann das doch nicht antisemitisch sein, erst recht kein klassisches antisemitisches Klischee.

    Klär mich bitte auf!

    Ja, Brandmarkung der Christen als Spießer wäre natürlich kein klassisches antisemitisches Klischee, da habe ich mich unglücklich ausgedrückt. Was ich meinte war: Die These, es gäbe eine jüdisch dominierte Filmmafia, die Filme in ihrem Sinne inhaltlich hinschiebt, reproduziert ein antisemitisches Klischee, nämlich das der jüdischen Verschwörung.

    In der Reifeprüfung kommt wie ich finde am Ende keiner gut weg, die Eltern von Benjamin sind genauso lebende Leichen wie die von Elaine.

  • Ich finde den Begriff der Mafia in diesem Zusammenhang nicht glücklich. Vielmehr müßte man von Lobby oder, noch besser, von "Netzwerken" sprechen.

    Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß Gruppen mit einem gemeinsamen Nenner natürlich jene "Eintrittskandidaten" favorisieren, die ebenfalls dieses "gemeinsame Merkmal" aufweisen. Die Art und Weise, wie die Selektion erfolgt, muß aber nicht zwingend der Mafia vergleichbare Methoden aufweisen. Wobei es sicher, wie in jedem Metier, auch hier schwarze Schafe gibt, bei denen es eben nicht mit rechten Dingen zugeht.

    In Gruppen oft bemerkenswert: die Vogel Strauß-Denke. Wie es Nazis gibt, die abstreiten, daß es die Massenvernichtung gab, gibt es Stalinisten, die meinten, unter Stalin hätte es das nicht gegeben. Daß die Gruppe mosaischer Menschen ihrerseits nicht anerkennen wollen, daß es heute ein Genozid an den Palästinensern gibt, zeigt leider die Scheuklappen, die sich mit Ideologien ergeben.

    Daß in Gruppen eine Ideologie ein gemeinsames Merkmal sein kann, nährt vermutlich das oft zitierte Verschwörungsdenken durch das (in allen Gruppen bemerkbare) starke Sendungsbewu0tsein und die Dialektik.

    Als Beispiel soll genügen: die Fahrer einer Automarke, die sich zwar lose, aber doch zusammenschließen und eine entsprechende Ideologie entwickeln - einschließlich der Verächtlichkeit anderen gegenüber. Als Eigner eines nichtoriginalen Autos weiß ich um die Statements der Ideologen und sehe in diesem Verhaltensmuster eine Ähnlichkeit mit dem Dritten Reich und dessen Ansicht - Schlagwort "Rassenreinheit" - über konvertierte Juden.

    Den mosaischen Menschen daraus einen Vorwurf abzuleiten zu wollen ist daher falsch - es steckt in uns allen drin.

    Tand ist das Gebilde aus Menschenhand

  • Zitat


    Als Beispiel soll genügen: die Fahrer einer Automarke, die sich zwar lose, aber doch zusammenschließen und eine entsprechende Ideologie entwickeln - einschließlich der Verächtlichkeit anderen gegenüber. Als Eigner eines nichtoriginalen Autos weiß ich um die Statements der Ideologen und sehe in diesem Verhaltensmuster eine Ähnlichkeit mit dem Dritten Reich und dessen Ansicht - Schlagwort "Rassenreinheit" - über konvertierte Juden.

    ääähhhhh--- meinst du das ernst, Kaeptn Kaos?
    Vielleicht sollten wir das Thema beenden, denn so was zu lesen tut schon weh. Das ist unsäglich.

  • Zitat


    In der Reifeprüfung kommt wie ich finde am Ende keiner gut weg, die Eltern von Benjamin sind genauso lebende Leichen wie die von Elaine.

    Aber was haben diese "lebenden Leichen" für eine attraktive Tochter in die Welt gesetzt! Diese Augenbrauen ...:love: