Technikphilosophie

  • Sirs,

    ich sitze hier gerade gemütlich mit einem Bier in der Hand und denke darüber nach, inwiefern ich eigentlich die "Carving" Technologie (z.B. hier ) von DaimlerChrysler gut finde. Denn es ist ja so:

    Einerseits hat es immer schon revolutionäre Fortschritte in der Fahrwerkstechnik gegeben (Vorderradbremsen, Einzelradaufhängung, hydraulische Stoßdämpfer etc.), welche auch uns in der Elise schlußendlich zugute kommen. Insofern ist auch die "Carving" Technologie ein logischer Schritt in diese Richtung.

    Andererseits geht die "Carving" Technologie ja doch ein ganzes Stück weiter, indem sie ein bisher in seinen Eigenschaften statisches Bauteil (den Querlenker) zu einem dynamischen, sogar aktiv gesteuertem Bauteil macht. Rüttelt das nicht schon - zumindest grenzwertig - an den Grundfesten dessen, was wir "Auto" nennen? Schließlich bedient sich diese Technologie eines Prinzips, welches den Zweirädern eigen und damit nicht originär für das beim Auto typische vier-Räder-Layout ist.

    Die Konsequenzen dürften nicht unerheblich sein, denn auch so einiges an Fahr*technik* wird sich mit dieser Technologie ändern müssen. Autos mit "Carving"-Fahrwerk werden sich grundsätzlich anders beim Einlenken verhalten und eine dynamische Balance besitzen - klassische Begriffe wie "Untersteuern" und "Übersteuern" werden möglicherweise keine Gültigkeit haben.

    Vielleicht werde ich alt, aber ich will mich nicht so recht mit dieser Vorstellung anfreunden. Für mich liegt der Reiz der Materie eben genau darin, die gänzlich unbelebte und in sich auch intelligenzfreie Technik eines Automobils durch meine mehr oder weniger ausgeprägte Geschicklichkeit beim Fahren mit Leben zu füllen. Deshalb mag ich auch keine Servolenkungen, kein ABS, kein ASR etc. und schon gar keine elektrischen Bremsen. Und kein "Carving".

    Seit ehrlich: Bin ich gestrig?


    Gruß, HRH the Lord of TNS

  • Eure Lordschaft
    alt seid ihr kaum, zumindest nicht im Geiste, denn das sind nun, um das mal literarturgeschichtlich zu verorten, klassisch frühromantische Denkfiguren - und die gehören zum Modernsten überhaupt. Novalis hätte das auch so gesehen. Fahren bedeutet ganz genau die Belebung bloß "zuhandenen Zeugs" (Heidegger!) durch das eigene Talent, Können und Genie (auch Imagination). Das Auto beginnt zu sprechen - aber nur, weil ich mit ihm als Fahrer richtig gesprochen habe, es also mit Talent bedient habe. Der Ingenieur soll das Auto nur so bauen, dass es gut hinhören kann auf das, was ihm der Fahrer sagt. Und es möge niemand sagen, das sei Fortschrittfeindlich. Gerade Mercedes hat ja nun zur Genüge demonstriert, dass es offenbar ziemlich schwierig ist, ein Auto zu bauen, das korrekt ausbalanciert ist und bei dem die Grundvoraussetzungen für Fahrdynamik erfüllt sind. Die Elektronik dient dann nur dazu, ein Auto zu stabilisieren und Idiotensicher zu machen, dass schon im Kern krumm und schief ist.
    Carving ist deshalb potenziell Schummelei. Wahrscheinlich wäre so ein Carvingbenz ziemlich schnell um die Ecken. Aber das eine sind die Zeiten auf der Messuhr, das anderes das Fahrvergnügen. Und das lässt sich nicht in Zahlen messen.
    Das fält mir - spontan - zu dem Problem ein...


    Gruß
    Friedrich von Hardenberg

  • Nun, my Lord !
    Der Thread sagt es bereits: Technikphilosophie ! Unabhängig vom Alter betrachtet ist die Technikphilosophie des Carving durchaus interessant, innovativ und ihrer Zeit voraus (was Mercedes in seiner Historie schon häufiger war). Die Richtung Ihres Threads geht m.E. eher zur Philosophie des Fahrens, und hier gibt es so mannigfaltige Ansätze, die bald ein eigenes Forum rechtfertigten....
    Die Elise ist ähnlich wie der Trabbi (obgleich aus unterschiedlichen Beweggründen) ein FAHRzeug, das nur zu diesem Zweck auf ein (zumindest fast) Minimum an Nebensächlichkeiten reduziert ist.
    Es gibt leider zu viele Gegnsätz im Fahrzeugbau, die zuweilen nervige Folgen nach sich ziehen: ein Mehr an passiver Sicherheit zieht ein Mehr an Gewicht nach sich, welches von einem Mehr an Leistung zu akzeptablen (spaßbringenden ?!) Fahrleistungen gebracht werden muß, was wiederum ein Mehr an elektronischen Helferlein nach sich zieht, dieses Potenzial auch unkundigeren Nutzern zu öffnen.
    Eine weitere Betrachtung zielt auf das Gefühl als Fahrer der Elli: Ich wurde gefragt, ob ich nicht Angst hätte in "so einem unsicheren Gefährt ohne Sicherheits-Features".
    Nun, meine Antwort war das ich mich nicht aufgrund meines Autos unwohl fühle sondern wegen der elektronisch gesteuerten Riesen um mich rum, die oft von Fahrern bewegt werden, die schon lange keine physikalischen Grenzen mehr "erfahren" haben.....und für diese Fahrer würde das physikalische Limit noch einmal deutlich raufgeschraubt !
    Vielleicht werd ich doch Samstag mal wieder physikalische Grenzen testen (oder die mechanischen Grenzen meiner Radlager).
    Bis dann,
    Matthias

  • Ein Mercedes Benz ?? Nein Danke !! Ein Carving ?? JA SOFORT !! Würde ohne zögern tauschen.

    Cabrio, fast keine Frontscheibe, 2 - Sitzer, klasse Optik,
    Pneus mit mehr Aussen- als Innendurchmesser, bis zu 20% Neigung der Reifen in Kurven, bis zu 1,3 Querbeschleunigung !!

    Einen Wunsch hätte ich jedoch noch, einen getunten AMG Motor im Heck.

    Gruß
    AR

  • Zitat


    Für mich liegt der Reiz der Materie eben genau darin, die gänzlich unbelebte und in sich auch intelligenzfreie Technik eines Automobils durch meine mehr oder weniger ausgeprägte Geschicklichkeit beim Fahren mit Leben zu füllen.

    Wenn Du das Wort "Automobil" gegen "Frauen" und "Fahren" gegen "B****n" austauschst, bist Du schon viel näher am wirklichen Leben. Aber dennoch: Eine Beate-Uhse-Gummipuppe ist nichts gegen eine noch so intelligenzfreie Frau.

    Hiermit bewerbe ich mich um den Oktober Award. Bei Euren philosophischen Ausflügen darf ich eh nicht mitfahren, weil das Taschengeld nicht reicht.

  • Zitat


    Hiermit bewerbe ich mich um den Oktober Award. Bei Euren philosophischen Ausflügen darf ich eh nicht mitfahren, weil das Taschengeld nicht reicht.

    Abgelehnt. Der Bewerber hat mit seinem Beitrag das Forum nicht verunglimpft, zerstoert oder nennenswert vorangebracht.

    Aber bevor die alten Herren sich ueber Fuzzy-Logic-stellt-Spur-und-Sturz-ein-bis-es-kracht graue Haare wachsen lassen, hier mal richtige Innovation: Neue Bremse von Renault


    Gruss Oliver.