Teil 2
Da wir vom Übergang Rosso viele Horrorgeschichten gehört hatten, wollten wir uns den Übergang Diama direkt am Staudamm des Senegals vornehmen. Vorbei an dösenden Krokodilen, langsam über die Straße ziehenden Waranen und fischkauenden Warzenschweinen ging es an den ersten großen Strom in Westafrika. Leider war mittlerweile die Zeit für meinen Kollegen relativ knapp geworden und ein Passieren der Grenze dazu astronomisch teuer für alte Fahrzeuge (aus Angst vor unreguliertem Fahrzeughandel). Somit wurde nichts aus dem Sturzbesäufnis mit anschließendem Hausverbot im Club Med von Dakar, der aber, wie wir später herausfanden, auch nur noch eine Ruine war. Also schauten die Schleuser ziemlich dumm, als wir schließlich wendeten und sagten, wir würden heimfahren. Sowas hatten sie wohl noch nicht häufig erlebt und waren es eher gewohnt, daß ihre aufgerufenen Preise gezahlt werden. Sie waren aber immer höflich und wenn ich mal wieder hinkomme, habe ich immer noch die Nummer eines jungen Senegalesen in meinem Adressbuch, der bei den Verhandlungen hilfreich gewesen ist.
So wie der Passat vorher unser Freund gewesen war, so war es nun auf der tagelangen Reise Richtung Gibraltar unser Feind. Teilweise blies der Wind so hart, daß der Nissan trotz 2,7 Liter Turbodiesel-Power nicht über 90 km/h hinauskam. So lief der gute Saft hektoliterweise durch den Tank, allerdings zum sparsamen Tarif von umgerechnet nur paarundsechszig Cent pro Liter. Auf dem Rückweg besuchten wir noch ein paar Touri-Ziele in Anti-Atlas, Atlas und Riffgebirge, aber das Ganze fiel nun etwas gegenüber den vorherigen Erfahrungen ab. Auf dem Weg durchs Riff-Gebirge suchte ich die ausgedehnten Hanf-Felder...leider erfolglos. Naja...musste sich der Urlaub eben anders finanzieren.
Das LSD (ich rede vom Differential...) zeigte sich leider nicht als Kostverächter und fraß bei unserer Fahrweise das Hinterreifen-Profil, was allerdings anhand der mittlerweile zurückliegenden Tiefsand-Etappen kein großes Problem mehr darstellte. So gut wie die Mauretanier mit Visa-Druckern ausgestattet waren, so exzellent konnten die marokkanischen Polizisten mit ihren Laserpistolen umgehen, was das Budget ebenfalls belastete. Berühmte Touristenstädte wie Essaouira und Fes ließen wir angesichts des Nepps unbeachtet hinter uns. Mit großen Schritten ging es Richtung der zweiten spanischen Exklave, die ebenfalls wie eine Festung an der Küste kauert. Solche Zäune in mehrfacher Ausführung mit Stacheldraht habe ich nie wieder gesehen. Die innerdeutsche Zonengrenze war ein Witz dagegen. Am Morgen vor der Abfahrt der Fähre standen wir in einem riesigen kilometerlangen Stau, in dem etwa eine Stunde lang marokkanische Autos vor dem Grenzposten stehend hupen. Vorne angekommen, beobachtet man, wie Auto um Auto die Leute nach wenigen Sekunden abgewiesen werden und direkt wieder umdrehen. Wir waren die Einzigen weit und breit, die freudestrahlend vom Grenzer durchgelassen wurden. Wie der sich morgens motiviert und seine gute Laune behält, das bleibt mir ein Rätsel. Eine weitere Episode, die man vom heimischen Fernsehsessel aus nie kennengelernt hätte. Ich frage mich, ob sowas unsere Politiker wissen. Auf jeden Fall ist mir die Leistung von Ländern wie Spanien und Griechenland an den EU-Außengrenzen nun ein bisschen klarer geworden. Es relativiert sich vieles auf solch einer Reise und man muss bei vielen Dingen, die man in deutschen Internetforen oder Kommentarspalten liest, auch einfach die Luft anhalten angesichts der zur Schau gebotenen ahnungslosen Borniertheit.
In Gibraltar angekommen gönnten wir uns im herrlichen Sonnenschein auf der Terrasse einer Bar zur Feierabend-Zeit ein paar Bierchen...bei aller Faszination für solche Reisen und fremde Welten: Es stellte sich ein starkes Heimatgefühl angesichts der Geborgenheit im Schoß des alten Europas ein. Bei allen unseren Nächten im Dachzelt in ausgetrockneten Bachbetten, Dünen und Steinwüsten oder am Rand von Siedlungen schlief doch immer ein wenig die Wachsamkeit mit. Auch wenn nie etwas passierte: Nun fühlte sich das Ganze wie das Einlaufen daheim bei den Eltern an, wenn der Lieblingsauflauf auf den Tisch gepackt wird und Vati die Kiste Grauburgunder aus dem Keller holt. Mittlerweile waren wir so sechs bis sieben Wochen unterwegs gewesen, hatten durch das gute Vorankommen aber wieder ein paar Tage herausgefahren. Eine Tinder-Bekanntschaft meines Kompagnons weilte über Silvester an der Algarve bei englischen Freunden und wir waren laut ihrer Aussage willkommen. Also hin. In Spanien und Portugal erlebten wir wieder traumhafte Offroad-Etappen, die teilweise sogar mit "4x4"-Schildern gekennzeichnet waren. Auffahrten, bei denen ich schon mit der Enduro kämpfen müsste, wurden mit der Übersetzung mühelos erklommen. Ein Absterben des Motors in solcher Lage würde allerdings ziemlich fatal enden. Mir war vorher nicht klar gewesen, daß solche Fahrleistungen mit normalen 4WD-Fahrzeugen mit Untersetzung möglich waren.
Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: Am Silvestertag badeten wir im Meer der Algarve, zusammen mit den Engländern zogen wir durch die Kneipen und nach einem abschließenden Trip zum westlichsten Punkt des europäischen Festlands übernahm ich den Job der Fahrmaschine zurück ins kalte Deutschland. Mit einer kleinen Zwischenübernachtung auf einem Schnellstraßen-Parkplatz in Zentralfrankreich riss ich die Strecke mautfrei durch. Irgendwann isses dann auch mal gut mit Urlaub.
Alle freuten sich, daß wir noch mit der vollen Zahl an Nieren wieder heimgekommen waren und die Geschichte musste natürlich erstmal jedem berichtet werden. Leider liegen die vielen tausend Bilder heute noch im RAW-Format weitgehend unsortiert auf der Platte und auch die 6x7 cm Velvia 50 Dias aus der Pentax habe ich nur kurz am Leuchttisch durchgeschaut. Bis zum heutigen Tag habe ich mir auch nie die Zeit genommen und mal einen kurzen Bericht zu schreiben, was hier jetzt ungeplanterweise passiert ist. Aber Claudio: Du hast mich einfach inspiriert
Ich kann's jedem empfehlen, einfach mal zu starten. Bloß nicht zu deutsch sein und alles planen. Damit hemmt man sich an vielen Stellen selbst. Das merke ich auch auf der Arbeit immer wieder: Viele Leute kommen nicht zum Schuss, weil alles verlabert und kaputtgeplant wird. Klar, die Karre muss laufen, das richtige Werkzeug dabei und alles mal getestet worden sein. Aber dann isses auch gut. Internetanschluss in der Wüste ist besser als daheim: 100 km Luftlinie von jeder Siedlung schauten wir nachts Youtube-Videos mit 4G. Man kann vieles auch auf dem Weg erledigen.
Das i-Tüpfelchen war am Ende, daß wir das Auto nach weiteren Arbeiten (komplett neue Schweller einschweißen, Rostvorsorge, Unterbodenschutz) fertig ausgestattet für solch einen hohen Betrag verkaufen konnten, daß mich die Tour am Ende irgendwas um die 700,- EUR gekostet hat (die Zahl hat uns irgendwie verfolgt). Also sind die Kosten auch nicht unbedingt der Hemmschuh. Den Fahrzeugtransport nach Südamerika kann man sich übrigens oft sparen: Viele Reisende wollen vor Ort ihre Fahrzeuge loswerden, um selbst nicht die Kosten für den Transport zu tragen. Schau mal in den angesprochenen Foren rein.
Vielleicht passt es hier in diesem Thema oder auch generell in diesem Forum nicht. Aber ich hatte gerade Lust und Zeit dazu. Wer es nicht lesen will, soll es sein lassen...ok, guter Hinweis am Ende eines solchen Pamphlets...