Probefahrt Radical in Spa

  • Da mich mehrere Leute gefragt haben, fasse ich hier mal meine Eindrücke zusammen.

    Probefahrt Radical

    Wie einige von Euch vielleicht wissen, habe ich am 17.10. in Spa einen Radical SR3 probegefahren.
    Es war nicht meine erste Probefahrt; ich hatte vor einigen Monaten schonmal einen auf der Straße gefahren oder besser: gerollt. Umso gespannter war ich, eine "artgerechte" Fahrweise erfahren zu können.

    Das Auto war ein "Fahrschulauto" mit deutlich weniger Abtrieb, geringfügig höher liegend und mit anderem Fahrwerk als die reine Rennversion. Der Motor war der 1300er mit angebl. 205 PS (wird wohl in echt ein klein bissel weniger sein). Bereift war er mit Dunlop Direzza D02 (straßenzugelassener Sportreifen).

    Für den Einstieg braucht's etwas Gelenkigkeit, aber das ist man von der Elise her ja - auf andere Weise - gewöhnt.

    Die Sitzposition ist - selbstverständlich - extrem tief und leicht rekliniert. So hat man gute Kontrolle über das Auto und viel Halt. Die Sicht nach hinten ist leider sehr mäßig, die Spiegel sind sehr klein und zittern wie Espenlaub. Die Pedale sind optimal positioniert.

    Anlassen über Starterknopf sowie sequentielles Getriebe sind straightforward. Kupplung treten, Knüppel einmal vor, 1. Gang rastet sauber ein. Beim Losfahren ausreichend Gas, der Motor hat wenig Schwungmasse und die Kupplung greift schnell.

    Raus aus der Boxengasse, auf das Bergabstück zur Eau Rouge runter, 2. Gang, 3. 4. 5. 6. in rasender Folge. Der Motor kreischt wie verrückt mit dem Ansaugstutzen direkt hinter dem Kopf. Eine Wahnsinns-Drehorgie. Tempo? Keine Ahnung, den winzigen Digitaltacho kann man kaum ablesen. Drehzahlmesser gibt es auch nicht, nur eine Diodenreihe.

    Die Bremse packt gewaltig und mit erstaunlich geringem Pedaldruck; in der Elise muß man deutlich beherzter zutreten. Vor Les Combes bremsen bei 80m, 3x runterschalten. Kein ABS ist wohl klar. Einlenken brutal direkt und zackig, unglaublich, wie das Auto liegt. Hier hat der vielzitierte Vergleich mit einem Kart mal eine reale Grundlage. Der Lenkeinschlag ist etwa halb so groß wie bei einem normalen Auto.
    Das Fahrverhalten ist auch im Grenzbereich nicht divenhaft, er rutscht sehr gleichmäßig über alle Viere und kommt nur bei zu hektischem Umgang mit Lenkung/Gas mit dem Heck. Einfangen ist dank der sehr direkten Lenkung schnell machbar, nur dabei nicht überreagieren! Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt. Die Sportreifen tragen sicherlich auch dazu bei, da die Schräglaufwinkel doch etwas größer sind als bei einem Slick.
    Die Fahrleistungen geradeaus sind etwa auf dem Niveau einer Elise mit 220PS.
    Die möglichen Kurvengeschwindigkeiten sind auch ohne größeren Abtrieb kaum zu fassen. Es ist schwierig, den Block im Kopf wegzubekommen und einfach schneller in die Ecken hineinzuhämmern. Was mag da erst mit der reinen Rennversion gehen?
    Eau Rouge hab ich mich nicht so recht getraut, zu experimentieren. Blanchimont ging aber nach ein paar Versuchen im VI. Gang voll - mit über 120 mph.

    Mein Fazit: Großes Suchtpotential. Das Fahrgefühl ist unbeschreiblich gut. Einfach nur geil. Wenn man danach wieder in die Elise umsteigt, denkt man, das Auto sei kaputt. Der Unterschied ist etwa so groß wie der zwischen Golf GTI und Elise.
    Aber: das ist kein Elise-Ersatz. Das ist ein echtes Rennauto, quasi ein 2-Mann-Formel. Für den Einsatz auf öffentlichen Straßen - trotz möglicher Zulassung - schon wegen der Bodenfreiheit mehr als problematisch und vor allem wegen der fehlenden Scheibe und der Käfigstreben praktisch nur mit Integralhelm+Vollvisier fahrbar. Das wäre für mich ein K.O.-Kriterium.
    Als Rennstreckenspielzeug aber ideal. Schneller als ein guter Seven zu geringfügig höheren Kosten, dabei aber wesentlich sicherer und moderner. Die Performance eines Cup-Porsche zu einem Bruchteil der Kosten. Das Lebensgefühl "totally unfair ... totally radical" gibt's gratis dazu.


    Das Objekt der Begierde...